Stellungnahme der unabhängigen Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“
Um die politische Diskussion zur Weiterentwicklung der Energiewende und zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung in Zeiten der Corona-Pandemie zu unterstützen, adressiert die Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“ der Bundesregierung in einer Stellungnahme zentrale Handlungsfelder der deutschen Energiewende im europäischen Kontext. Die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ist mit Prof. Dr. Veronika Grimm, Inhaberin des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Wirtschaftstheorie, in der Expertenkommission vertreten.
Im Fokus stehen der Ausbau erneuerbarer Energien, die industrielle Transformation hin zu emissionsneutralen Technologien und Produkten und die zukünftige Rolle von Wasserstoff und synthetischen Energieträgern. Im Mittelpunkt der Empfehlungen steht eine CO2-basierte Energiepreisreform, die eine Reduktion der Umlagen und Abgaben beim Strompreis bei gleichzeitig ambitionierterer CO2-Bepreisung vorsieht. Dies schafft den richtigen langfristigen Rahmen, entlastet Haushalte und Unternehmen und treibt die Transformation der Industrie voran. Daneben bedarf es komplementärer Instrumente, etwa um Marktunvollkommenheiten im Rahmen des Ausbaus von energiewenderelevanter Infrastruktur und der Förderung von Zukunftstechnologien zu adressieren.
Die Transformation hin zu einem nachhaltigen Wirtschaftssystem erfordert es, strategisch bedeutsame klimaneutrale Wertschöpfungsketten aufzubauen, kritische Abhängigkeiten durch Diversifizierung zu vermeiden und inländische Märkte zu stärken. Regenerativer Wasserstoff und synthetische Energieträger spielen dabei eine Schlüsselrolle, da sie vielfältig einsetzbar sind. Anwendungen liegen im Verkehrssektor, bei der Speicherung von Strom, in der Industrie und im Wärmesektor.
Weiterer Handlungsbedarf besteht bei den erneuerbaren Energien, da die Umsetzung der langfristigen Klimaziele und der Vorschlag der EU Kommission für einen europäischen Green Deal eine massive Erhöhung der Ausbauziele erfordern. Gerade für den Ausbau erneuerbarer Energien sind in der Umsetzung europäische Lösungen zu stärken, um nationale Aktivitäten besser zu ergänzen.
Als Leitinstrument empfiehlt die Expertenkommission eine CO2-basierte Energiepreisreform. Diese umfasst auf nationaler Ebene die Umsetzung eines ambitionierteren CO2-Preispfades, welcher auch einen Mindestpreis für CO2 umfasst, sowie eine umfassende Ausrichtung des derzeit existierenden komplexen Systems aus Entgelten, Steuern, Abgaben und Umlagen auf tatsächliche externe Effekte. Höhere Ambitionen im Klimaschutz auf europäischer Ebene erfordern neben einem Nachschärfen der CO2-Bepreisung im EU ETS eine Reform der EU-Energiesteuerrichtlinie sowie ggf. die Einführung von Grenzausgleichen.
Infrastrukturen müssen für den Transport, die Verteilung und die Speicherung von Wasserstoff und synthetischen Energieträgern angepasst und ausgebaut werden. Zudem werden Speicher mit verschiedenen Volumina benötigt, um eine zeitliche Unabhängigkeit von Erzeugung und Verbrauch insbesondere im Bereich der Stromversorgung zu ermöglichen.
Die Investitions- und Finanzmittel der öffentlichen Hand können und sollen lediglich die Grundlage für die Umsetzung des Green Deal schaffen. Um dafür auch das erforderliche Kapital privatwirtschaftlicher Investoren zu aktivieren, sind weitere Maßnahmen zur Stärkung von Green Finance umzusetzen, etwa durch die Ausweitung der Berichtspflichten von Unternehmen und Finanzmarktakteuren im Sinne der geplanten EU-Taxonomie für Nachhaltige Finanzierung. Verbesserte Rahmenbedingungen und einheitliche Standards für die Zertifizierung bieten wichtige Entscheidungsgrundlagen.
Bei allen von der Expertenkommission empfohlenen Maßnahmen ist zu beachten, dass das Krisenmanagement in der Corona-Pandemie Vorrang hat. Nichtsdestotrotz sind einige Maßnahmen ohne größere Hürden umsetzbar und in Zeiten von Corona sogar umso dringlicher. Beispielhaft sei auf die Energiepreisreform und Maßnahmen zur klimaneutralen Transformation der Industrie verwiesen, welche die Konjunktur unterstützen, die Resilienz des Gesamtsystems erhöhen und zum Schutz vulnerabler Gruppen beitragen. Hier gilt es die Handlungsspielräume zu nutzen, die niedrige Energiepreise in der Corona-Pandemie eröffnen.
Link zur Stellungnahme der Expertenkommission
Die Mitglieder der Expertenkommission sind:
- Prof. Dr. Andreas Löschel (Vorsitzender), Universität Münster
- Prof. Dr. Veronika Grimm, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
- Prof. Dr. Barbara Lenz, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)
- Prof. Dr. Frithjof Staiß, Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW)
Expertenkommission zum Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“:
Die unabhängige Expertenkommission begleitet den 2011 von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Monitoring-Prozess „Energie der Zukunft“. Sie nimmt auf wissenschaftlicher Grundlage Stellung zu den Monitoring- und Fortschrittsberichten der Bundesregierung zur Energiewende und unterstützt die Bundesregierung bei der Erarbeitung gemeinsamer Lösungen und Strategien für die zentralen Handlungsfelder der Energiewende. Um die anstehenden politischen Diskussionen zur Weiterentwicklung der Energiewende und zur nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung zu unterstützen, gibt die Expertenkommission in diesem Kommentar Empfehlungen zu zentralen Maßnahmen und Rahmenbedingungen.